Abschied und Aufbruch 2, Teil 1

Goodbye my great India…

Vor 223 Tagen habe ich unter dem Namen Abschied und Aufbruch“ einen Blogeintrag veröffentlicht. Ich habe geschrieben über meinen Aufbruch nach Indien, was mir schwer fiel und mich bestärkt hat und mit welchem Bündel ich aufgebrochen bin. Nun musste ich auch wieder Aufbrechen zurück nach Deutschland. Unterschied zum ersten Aufbruch, er war ungeplant und ungewollt und er verlief wesentlich schmerzhafter als der Letzte. In diesem Blog möchte ich in zwei Teilen erzählen warum und wie ich zurück nach Deutschland gekommen bin und nutze dieses Format auch für mich persönlich um meinen Abschied gut zu verarbeiten.

Um ganz kurz Fakten zu liefern ich befinde mich nun seit dem 21. März wieder daheim in Binningen und musste meinen Freiwilligendienst aufgrund der Covid´19 Pandemie beenden. Letzteres wurde vom Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit beschlossen. Derzeit halte ich mich etwas zurück und betreibe sicherheitshalber Selbstquarantäne Punkt

Nun etwas mehr im Detail:

Über den Coronavirus haben wir auch in Indien viel gehört. In unserer globalisierten Welt heutzutage war es kein Problem den Geschehnissen zu folgen. Wir konnten die Entwicklung von einer unterschätzten Atemwegserkrankung bis zur Pandemie weit ab und in Sicherheit betrachten.

Spürbar wurde der Ernst der Lage immer wieder in Abschnitten. Ein tieferer war als Ende Februar klar wurde, dass unsere Familien uns nicht besuchen konnten. Dies aufgrund dessen, dass Indien alle Visas für alle noch nicht im Land befindlichen Ausländer für ungültig erklärte.

Im Wissen über die Situation in Europa lebten wir unseren Alltag normal weiter ohne große Angst unseren Freiwilligendienst vorzeitig deshalb beenden zu müssen, da Indien absolut kein Krisengebiet ist. So gab es meines Wissens bis vor einer Woche noch keine 100 Fälle und bereits zehn Heilungen. Auch hatten wir absolut keine Bedanken über unsere Gesundheit da in Bihar recht wenige Menschen reisen und wir in unserem abgetrennten Campus versorgt mit unseren eigenen Lebensmitteln bis auf einen Atomschlag alles überstehen konnten.

Ein weiterer Einschnitt erlebten wir am 13. März, als die Regierung Bihars entschied alle Schule für die kommenden zwei Wochen zu schließen. Nach zwei Wochen Ferien löste dies eine ordentliche Entrüstung in uns aus, da wir uns schon auf unsere Kinder freuten und mit Kraft und neuen Ideen betankt zuversichtlich auf das neue Schuljahr und auf die kommenden vier Monate unseres Freiwilligendienstes schauten. Da es uns schon klar war, dass sich unsere Zeit in Indien langsam aber sicher dem Ende entgegen neigte hatte wir unsere Pläne und Projekte die wir noch verwirklichen wollten.

Nach der Entrüstung über das Ausbleiben der Schule rappelte ich mich schnell wieder, da ich auch kein Problem damit hatte mich die Tage über in unserer Landwirtschaft an der Seite meines Superiors Father Lazar, von mir freundschaftlich Sami (Name der Wertschätzung symbolisiert) genannt einzubringen und so weiter an unserer Mission zu arbeiten.

Einer der vielen „Machans“ an denen unsere Kletterpflanzen gedeihen können. Nach dem klar war, dass die Schule erst mal ausfallen wird stellte ich mich auf einige Wochen Gartenarbeit ein.

So stand ich einfach morgens auf und ging nach der heiligen Messe und dem Frühstück raus aufs Feld hatte Mittags eine ausgiebige Pause nach dem Essen und beteiligte mich anschließend weiter draußen oder schloss mich von Zeit zu Zeit auch Florian an, welcher die Hauptarbeit in der Schulbücherei auf sich nahm. Tagsüber machte ich was anstand, Feuerholz machen für die Hostelküche, Umgraben und säen, ich päppelte eine kleine Ziege dessen Mutter Probleme mit der Versorgung ihres Kleinen hatte an der Flasche auf und zwischendrin hatte ich noch gute Gespräche mit Sami. Abends hatte ich dann noch Zeit für mich und nach Abendgebet und Essen ging ich müde ins Bett.

So war auch der Morgen des 16. März nur mit dem Unterschied, dass sich gegen Abend etwas zusammenbraute. Von einer Mitfreiwilligen aus Bombay hörten das Weltwärts, der finanzielle Träger unseres FSJ`s ein Programm des Bundesministeriums für Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) schon heiß darüber überlegte, alle Freiwilligen nach Hause zu holen. Danach überschlugen sich die Meldungen. Andere Freiwilligen teilten uns ihren Heimreisebescheid mit und letztlich hörten wir es auch von anderen Jesuit Volunteers. Absolut hilflos der Situation gegenüber malten wir uns das Szenario aus, wir müssen gehen. Ich geriet in eine regelrechte Schockstarre und konnte mit der Situation nichts anfangen. Fassungslos kam mir in den Kopf, dass ich Indien verlassen muss, Baghmara und die Menschen hier vor Ort und an anderen Stellen in Indien, die mir wichtig und teuer geworden sind.

Um 21.30 indischer Zeit erreichte uns dann die Email unserer Koordinatorin die all das gehörte unterstrich und bestätigte. Folgende Gründe wurden aufgeführt: Die Situation in den Einsatzländern ist wenn momentan auch noch bei weitem weniger schlimm als in Europa in gleichem Maß wenn nicht sogar schwerer einzuschätzen. Ein Ausbruch des Coronavirus hätte wahrscheinlich wesentlich größere Auswirkungen, da die Gesundheitssysteme so wie in Indien marode sind und die Gefahr bestehe, durch Einreisestopps nicht mehr zurückreisen zu können. Immer noch sehr überrumpelt teilten wir diese Nachricht unserem Projektpartner Father Jacob mit, der dieser mit einem gewissen Unverständnis begegnete. Im Anschluss an das Gespräch saßen Florian und ich gemeinsam auf dem Dach unterhielten uns noch lange und besprachen unsere Situation. Für uns war die Vorstellung den Ort und die Menschen die uns lieb geworden waren einfach zurückzulassen schlichtweg furchtbar. In unserem eher emotionalen als rationalen Gespräch kam der Punkt auf ob wir uns nicht einfach gegen die Anweisung weigern können. Als wir uns danach jedoch wieder fingen mussten wir diese noch so schweren und folgenreichen Entscheidung ins Auge blicken.

In unserer Hauskapelle kam ich nach der Hiobsbotschaft wieder etwas zur Ruhe…

Nach dem wir noch mit anderen JV´s telefoniert hatten gingen wir dann spät ins Bett und immer noch in der vorher benannten Schockstarre fiel es schwer einzuschlafen. Nach einem Rosenkranz ging es dann schon besser, ich war etwas zur Ruhe gekommen.

Nun war der 17. März gekommen, schon beim Aufstehen fühlte es sich komisch an. Ich schaute durch mein Zimmer und wusste schon, dass es sehr bald sehr leer hier sein wird, nach dem ich es mir schon vor langer Zeit eingerichtet hatte. Ich dachte mir dieser wird wahrscheinlich der letzte normale Tag in Indien für mich sein, deshalb nahm ich mir auch vor ihn so wie jeden anderen Tag zu durchleben.

Ich ging in die Kapelle folgte meinen Mesnerpflichten, die ich in Abwesenheit unseres Hostelers Ashish übernahm und bereitete alles vor. Die Messe feierte Father Lazar mit uns. Nach dem Ende verweilte ich noch etwas und räumte wieder alles zusammen bevor ich ins Refectory ging um zu frühstücken. Sami schaute mich nur an und sagte so etwas wie: „Simon, what shall we do…“ Ich drückte ihn kurz und entgegnete, dass ich es auch nicht wisse. Als ich ihm versicherte, dass ich ganz normal arbeiten wolle lachte er und nahm mein Angebot an.

Als mir bewusst wurde, dass ich wahrscheinlich innerhalb der nächsten Stunden gehen musste überlegte ich ob ich nicht besser packen sollte. Da ich dazu gefühlt jedoch noch nicht in der Lage war zog ich es vor rauszugehen.

Ich holte die Ziegen aus dem Stall und band sie draußen an. Als ich mit einer unserer kleinen etwas spielte überkam mich große Traurigkeit. Mir wurde bewusst, dass ich sie wahrscheinlich sehr lange nicht mehr sehen werde, sie die mir wirklich ans Herz gewachsen sind und natürlich noch viel mehr die Menschen. Ich setzte mich einige Zeit, rappelte mich aber mit dem Gedanken wieder, dass dafür jetzt keine Zeit ist. Für Traurigkeit ist daheim Zeit.

So arbeitete ich einige Stunden mit Lazar zusammen. Wir suchten und Schnitten Stöcke mit der Machete um den Kundri Pflanzen (eine Kürbisgattung) die Möglichkeit zu geben daran hoch an das von uns gebaute Gerüst zu klettern.

Wir sprachen viel über meinen Weggang. Lazar drückte gefasst seine Traurigkeit aus und tröstete mich. Er sprach davon, dass ich dies nun als den Willen Gottes verstehen soll und niemals vergessen darf, dass es dieser ist der mich zum Besten führt, so schwer das auch in der Situation anzunehmen ist.

Vor dem Mittagessen bat ich dann unsere Köchin Reena in meinem brüchigen Hindi noch Pappad zu machen. Pappadam ist ein knuspriges, frittiertes Fladenbrot welches aus Linsenmehl hergestellt wird. Nicht sonderlich gesund wird es als Beilage zu den Mahlzeiten gereicht. Ich wünschte es mir nochmal, da es in unserem Haus maximal an Sonntagen von Zeit zu Zeit gegessen wurde.

Nach dem Mittagessen machte ich mich dann wohl oder übel dran zu packen. Nach 2 bis 3 Stunden war mein Zimmer leer und es fühlte sich gespenstisch an. Der Ort den ich mir an Tag 2 in Indien eingerichtet hatte um mich wohler zu fühlen war nun geräumt, sah aus wie jedes andere Gästezimmer im Haus. Ich musste mich nochmal in meinen Sessel setzen und einige Minuten zur Ruhe zu kommen.

In der Zwischenzeit hatte Father Jacob schon einen Zug gebucht, mit dem wir möglichst schnell nach Kalkutta kommen konnten, denn unser Flug war auch schon gebucht. Kalkutta nach Delhi mit Vistara und von dort aus mit Lufthansa oder Air India (war nicht ganz klar welche Airline den Flug ausführen würde) nach Frankfurt.

Mit dem gebuchten Zug sollte es dann um 7.00 Uhr morgens von Kishanganj, circa 2h von Purnea nach Kolkata Howrah Station gehen. Um sicher zu gehen und unabhängig vom Verkehr zu sein legten wir fest, dass wir um 4 Uhr von Baghmara mit unserem Jeep losfahren.

Es war schon Abendzeit und ich stellte mich auf ein letztes Abendgebet und Abendessen in der Kommunität ein. Pustekuchen. Abendessen war so kurz wie möglich und auf das Abendgebet wurde verzichtet, da wir noch eine wichtige Sache machen mussten. So wie wir uns in Indien registrieren mussten bei der örtlichen Behörde mussten wir uns auch wieder abmelden. Zusammen mit Jacob schlugen wir uns mit der störanfälligen und teils einfach nur „behinderten“ Homepage der Einwanderungsbehörde rum und erhielten dann am Ende doch noch ein Dokument, was die Ausreise zwar ankündigte, welches aber noch von der Stelle bearbeitet werden musste. Da wir darauf nicht warten konnten mussten wir einfach dann los.

Mein Zimmer noch im eingerichteten Zustand, ich war erschrocken wie schnell ich es leer hatte.

Am Ende war es 1. Uhr nachts ich wollte um 3 aufstehen und lag dann in meinem Bett unterm Mosquitonetz und konnte nicht aufhören dran zu denken, dass das nun ganz unverhofft meine letzte „Nacht“ in diesem mit so vielen Erinnerungen gefüllten Zimmer sein sollte. Irgendwann konnte ich dann doch einschlafen. Am Morgen verschlief ich dann meinen Wecker und als mich Florian 15min vor Abfahrt weckte, machte ich mich im Eiltempo fertig.

Noch im Halbschlaf verließen wir dann unseren Campus und fuhren über die leeren Straßen nach Kishanganj. Immer noch nicht in der Lage das Ausmaß der Situation abzuschätzen betrachtete ich das in der Zwischenzeit so normal gewordene Straßenbild und unterhielt mich mit Lazar über den Aufbau der neuen Mission. Derzeit arbeiteten unsere Jesuiten daran am anderen Ende der Stadt nochmal eine English Medium School plus Pfarrei hochzuziehen um auch für andere Kinder aus den ländlichen Teilen unseres Distrikts eine gute Bildung bieten zu können. Über diesen neuen Standpunkt, namentlich Mahindrapur sind die Jesuiten sehr stolz, da es immer eine große Freude ist etwas neues in der Mission zu schaffen.

In Kishanganj warteten wir eine Weile, da wir aufgrund der leeren Straßen wesentlich früher angekommen waren als zuvor gedacht. Im Anschluss stiegen wir dann in unseren Expresszug ein mit dem wir dann innerhalb von circa 6 Stunden in Kalkutta ankommen sollten. Mit ausreichend Platz und gut verköstigt vom Zugpersonal gepaart mit einer unglaublich schönen Aussicht auf das indische Hinterland verging auch hier wieder die Zeit wie im Flug.

Nach der Ankunft in Howrah ging es dann per Taxi weiter nach Prabhu Jisu, die Pfarrei in der wir schon jeweils eine Nacht auf dem Hin- und auf der Rückfahrt in den Süden im Januar verbrachten.

Kalkutta zeigte sich bei schönstem Sonnenschein nochmal von seiner besten Seite als wenn auch sie Goodbye sagen wollte… Wie bei meinem letzten Besuch war ich wieder gepackt von den alten Kolonialbauten die die Straßen säumten so wie vom Verkehr, von dieser unglaublichen Mischung zwischen der europäischen und indischen Kultur. Auch wenn die Kolonialzeit in Indien heute selbst von Einheimische fast etwas romantisierend wahrgenommen wird ist das Bild Kalkuttas ein wunderbares Symbol von Indiens atemberaubender multikulturellen Geschichte.

Kalkutta ist meiner Meinung nach mehr als Sehenswert. Während die Bauten an die koloniale Vergangenheit Indiens erinnern spielt sich unten auf der Straße das typisch indische Leben ab…

In meiner Vorstellung hatten wir nun in Prabhu Jisu nach einer kurzen Pause genug Zeit um nochmal durch die Muslim Quarters zu schlendern und noch einen Haarschnitt zu bekommen, den ich dringend nötig hatte. Wieder mal falsch gedacht. Ein alter indischer Jesuit bat uns zu sich zu kommen um uns auf ein Dokument aufmerksam zu machen, was wohl für die Immigration nötig wäre. Er bat uns einen Gesundheitscheck zu machen um vorweisen zu können, dass wir nicht an der vom Virus ausgelösten Krankheit leideten.

Wir waren total aufgelöst. Wo sollten wir so schnell einen Test bekommen? Außerdem war es auch absolut unsinnig für uns sich testen zu lassen, da wir in unserem Campus in der hinterletzten Pampa Bihars bestimmt kein Corona aufgesammelt hatten und auch die Chance diesen auf der Zugfahrt eingefangen zu haben sehr gering war.

Am Küchentisch saßen dann Lazar und wir etwas hilflos zusammen. Gott sei dank war zum gleichen Zeitpunkt Father David Raj aus unserer Provinz auch in Kalkutta. Er war aus dem selben Grund wie Father Lazar gekommen. Auch er hatte einen englischen Freiwilligen bei sich in Dumka, der Indien verlassen musste. Da er diesen schon am Flughafen abgesetzt hatte und dieser wohl auch problemlos auf seinem Flug saß, konnte uns Father David genaueres berichten.

Father David sicherte uns zu, dass wir problemlos ohne dieses Medical Certificate ausreisen könnten, wies uns aber auf ein anderes notwendiges Dokument hin. Eine Bestätigung unserer Tätigkeit hier in Indien sei notwendig für die Ausreise. Nach viel telefonieren mit unterschiedlichen Leuten in Baghmara schickte uns Sister Pauline als Principal unserer Schule dieses zu.

In der Zwischenzeit war es wieder Abend geworden. Nach dem unser Flug um 7.00 Uhr morgens gehen sollte entschieden wir uns um 4.00 Uhr aufzubrechen. So weit so gut, nun stellte ich mich auf das ganz normale Abendprogramm in einer indischen Jesuitenkommunität ein: Abendgebet und gemeinsames Abendessen. Spoileralarm, wieder mal falsch gedacht.

Der oben bereits beschriebene alte Jesuit mit seinen über 80 Jahren hatte in der Zwischenzeit Panik im Haus verbreitet und war wohl der festen Überzeugung dass die Ausländer (welche sich seit 8 Monaten in Indien befanden und noch nicht mal Besuch erhalten hatten) den Coronavirus ins Haus bringen würden. Konsequenz: kein gemeinsames Abendgebet und die Mahlzeit vor den anderen zu zweit.

Man merkte die Jesuiten begannen große Bögen um uns zu machen und die Kommunikation auf ein mindestes zu reduzieren. Das schmerzte sehr, da wir sonst immer ordenstypisch gastfreundlich und offen empfangen wurden und nun an diese Stelle eine distanziere und auch unhöfliche Art gekommen war. Am Esstisch ärgerte sich Lazar auch über dieses Verhalten und klagte besonders das Verhalten dieses alten Jesuiten an. Father Lazar sagte in etwa: „Wenn ich in seinem Alter noch so Angst vor dem Sterben hätte, würde ich meinen Glauben erstmal ordentlich hinterfragen?!“

Prabhu Jisu Girja, die Kirche des Herren Jesu, im Blick auf sie konnte ich mich wieder beruhigen.

Ich konnte ihm nur zustimmen… Als es nun ruhig geworden war an unserem Tisch packte mich die Traurigkeit nochmal ganz extrem. Ich musste aufstehen und betrachtete am Fenster die große Pfarrkirche des Herren Jesu. Lazar rief mich zurück und bat mich ihm zu erklären warum ich denn weinen würde. Mit schwacher Stimme erklärte ich ihm, dass ich Indien nicht verlassen will, nicht jetzt und vor allem nicht Ihn.

Lazar, auch etwas überfordert mit der Situation, da er wohl auch mit seinen Gefühlen innerlich kämpfte, holte tief aus und erklärte mir, dass ich doch nicht weinen könne. Die Offenheit für den Willen Gottes und die Bereitschaft immer über all hinzugehen seien der Grundpfeiler der Mission und müssen für mich als Christen das gleiche sein.

So hart diese Worte waren, so trugen sie auch einen starken Trost in sich, der mir half mich wieder zu fangen.

Dann war es schon wieder Zeit zu schlafen, es ging ja wieder früh los. So buchten wir unseren Uber zum Flughafen und schliefen nochmal ein paar Stunden.

Um 4.00 Uhr stiegen wir dann in den Hindustan Ambassador, das so ziemlich indischste Auto aller Zeiten und häufiger Begleiter, da von 1955 bis 2013 in Serie gebaut zum Flughafen. Lazar empfahl mir die Scheibe ganz runterzudrehen und nochmal eine zu rauchen auf dem Flughafen sei dazu ja wahrscheinlich keine Zeit mehr. Und so war die Fahrt nochmal eine ganz indische Erfahrung, zu dritt im uralten Taxi mit viel Gepäck durch die Riesenmetropole Kalkutta mit der indischen Goldflake Zigarette in der Hand, ein klischeehaftes und romantisierendes Bild.

Die gelben Taxen sind Hindustan Ambassadors kurz „Amby“ genannt, in einem von ihnen ging es stilecht für Kalkutta zum Flughafen.

Angekommen am Subash Chandra Bose International Airport mussten wir schon erkennen, dass Father Lazar nicht mehr mit ins Terminal kommen durfte… Nach dem wir unser Gepäck im Eingangsbereich stehen liessen schloss ich mich dann Lazar an um noch einen letzten Chai mit ihm zu trinken. Im Wartesaal neben an bekamen wir zwar keinen Chai aber konnten immerhin noch einen Kaffee zusammen trinken.

Sami erhob den Becher und sagte: „Cheers Simon, I can´t thank you for all you have done.“ Eine große Ehre und ein letztes Zugeständnis der Wertschätzung, über welche ich mich bei ihm nie klagen konnte. Der Kaffee war leer und nur noch eine Bitte lag auf meinen Lippen. Ich bat Father Lazar mich zu segnen. Wir setzten uns auf eine Bank. Er legte seine Hände auf meinen Kopf und sprach Worte aus tiefstem Herzen mit schwacher Stimme, so viele, dass ich sie gar nicht mehr rezitieren kann, mir es jedoch warm ums Herz wird wenn ich daran zurückdenke.

Nach dem Segen standen wir auf und gingen zurück zum Terminal. Als ich merkte wie er sich die Tränen aus den Augen wischte, nahm ich seine Hand und ging so mit ihm zusammen und teilte auf wunderschöne Art diesen Moment, unseren Letzten für eine Weile. Das Händchenhalten ist Indien ja unter Männern ein Zeichen der Freundschaft, ebenso bei Frauen und nur bei Liebespaaren verpönt.

Nach dem das schon unsere eigentliche Verabschiedung war umarmten wir uns noch ein Mal herzlich bevor Florian und ich uns dann auf Richtung Check in Schalter machten.

Goodbye Sami, I will come again…

Nach dem hier alles gut geklappt hatte, betrachtete ich dann beim Start und danach nochmal das Land und in Gedanken ging mir durch den Kopf: „Goodbye East India, thank you“ Auch wenn der Schmerz über die Trennung in diesem Moment noch überwiegte spürte ich schon wie dankbar ich für die letzten acht Monate sein kann.

Bis hier lief noch alles ganz normal, die Strapaze mit dem Heimflug kam dann erst in Delhi. Dazu dann mehr in ein paar Tagen…

Da wie schon gesagt noch ein zweiter Teil kommen wird und ich bestimmt noch einige vorbereitete Themen auf meinem Blog zum Besten geben möchte, abonniert gerne den Newsletter!

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2 Gedanken zu „Abschied und Aufbruch 2, Teil 1“

  1. Lieber Simon,
    mein eigentlicher Abschied von Indien liegt nun schon über ein halbes Jahr zurück und ich hatte lange Zeit, mich darauf vorzubereiten, aber ich konnte deinen Schmerz beim Lesen nachempfinden und war an meinen eigenen erinnert. Danke für diesen schönen Eintrag.
    Ich hoffe, dass sich die Trauer nicht zu oft in den Vordergrund stiehlt und das Glück über die gemachte Erfahrung überwiegt.. und hey, man kann zurück, das kann ich bezeugen!
    warme Grüße
    sophie

    1. Hey danke für den lieben Kommentar!
      Braucht jetzt einfach seine Zeit bis das alles gut verkraftet ist.
      Aber ich merke auch jetzt schon, dass die Dankbarkeit für die vergangenen acht Monate immer größer wird.
      Darauf kommts an…
      Grüße Simon

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