Hallo zusammen! Dieser Eintrag wird etwas anders als die vorhergegangenen. Im Gegensatz zu diesen werde ich heute nicht direkt über meine Erlebnisse in der letzten Zeit berichten. Heute werde ich rückblickend einige Gedanken zum diesjährigen Missionsmonat Oktober zum Besten geben und darin auch meine Erfahrungen die ich in den vergangenen drei Monaten machen durfte wiedergeben. Wer daran interessiert ist darf gerne weiterlesen, wer schauen will wie´s mir geht und was bei mir grad los ist, dem verüble ich das Nichtlesen selbstverständlich nicht.
An Pfingsten diesen Jahres erklärte Papst Franziskus den Oktober als außerordentlichen Gebetsmonat für die Mission. Damit möchte der Papst an den 100. Jahrestag des apostolischen Schreibens „Maximum Illud“ seines Vorgängers Benedikt XV. erinnern. Benedikt XV. der sich in seinem kurzen Pontifikat vergeblich für den Frieden im unter dem Ersten Weltkrieg leidenden Europa einsetzte, ist ein heutzutage fast vergessener Papst.
Jedoch setzte das von ihm verfasste Schreiben neue Standards in der Weltmission. Der damalige Papst forderte Respekt vor fremden Kulturen, grenzte die Bestrebung der Kolonialherren von der Verkündigung des Evangeliums ab und wünschte sich die Ausbildung eines einheimischen Klerus und somit die Unabhängigkeit von europäischen Missionaren.
Franziskus wiederum wünscht sich eine missionarische Haltung aller Gläubigen. Gleichzeitig fordert er auch alle Missionare auf, sich „der freudvollen Neuheit des Evangeliums zu öffnen“
Aber wie sieht Mission denn heute überhaupt aus. Inwiefern schwingt im Wort Missionar und Mission noch ein bitterer Beigeschmack mit und wie kann die Mission einen beflügeln?
Der Missionsauftrag der Kirche fußt auf viele Stellen in der Bibel, die wohl bekannteste ist das Ende des Matthäus Evangeliums:
Mir ist alle Macht gegeben, im Himmel und auf der Erde. Deshalb geht zu allen Völkern, macht alle Menschen zu meinen Jüngern. Tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie alles zu befolgen, was Ich euch geboten habe. Seid gewiss, Ich bin bei euch, alle Tage bis zum Ende der Welt.
Matthäus, 28, 18-20
Das dieser Taufbefehl natürlich kritisch gesehen muss ist selbstverständlich, jedoch möchte ich hier keine Exegese veranstalten.
Nach dem die Portugiesen unter Vasco da Gama den Seeweg nach Indien entdeckt hatten folgten auch bald einige Geistliche, die jedoch keine Missionsarbeit leisteten sondern eher den „Eigenbedarf“ der Kolonialisten deckten. Auch ist überliefert, dass diese kein sonderlich geistliches Leben führten.
Bald folgten die ersten Missionare der neu gegründeten Gesellschaft Jesu. Ihr bekanntester Vertreter war Francisco de Xavier oder Franz Xaver. Der Heilige ist sehr bekannt, da er bereits damals 1542 nicht auf hohles Taufen setzte und die Neuchristen danach sich selbst überließ sondern wirklich versuchte den Glauben zu vermitteln.
Franz Xaver setzte auf Inkulturation und verstand sich bestens darin, sich der jeweils vorherrschenden Kultur anzupassen. Er lehrte die Menschen den Katechismus und versuchte, obwohl er wohl selbst nicht sprachbegabt war, möglichst viele Texte wie beispielsweise Predigten in die Sprachen der Einheimischen zu übersetzen. Auch setzte er auf die Ausbildung eines einheimischen Klerus und gründete so in Indien viele Kollege und Seminare.
Jedoch muss man auch bei Franz Xaver sehen, dass er sehr darauf pochte die Menschen zu taufen. Er zwang die Menschen zwar nicht mit dem Schwert dazu, legte jedoch alles daran ihnen dieses Sakrament zu spenden. Meiner Meinung nach kann man ihm das kaum verübeln. In der Theologie seiner Zeit stand fest, dass jeder Ungetaufte, ganz gleich ob er von Jesus Christus schon jemals in seinem Leben gehört hatte, nach seinem Ableben die Ewigkeit getrennt von Gott in der Hölle verbringen muss.
In Franz Xavers Briefen die er an Ignatius in Rom sendete lässt sich auch klar herauslesen, dass der Autor besorgt um das ewige Heil der Menschen war. Der junge Jesuit wollte möglichst vielen Menschen das Tor zum Himmel öffnen. Sie jedoch auch wie oben beschrieben mit dem Glauben im Diesseits stärken.
Während der Heilige Franz Xaver für mich durchaus Vorbildfunktion hat, kann aus seinem Taufeifer, beziehungsweise dem Taufeifer anderen radikaler Missionare ganz klar der üble Beigeschmack kommen, den die Mission bis heute in sich trägt. Vor allem auch mit Blick auf andere Teile der Welt, wo Missionare absolut keine Anstrengungen zeigten, sich der Kultur der Menschen anzupassen.
Die heute in Indien tätigen Missionare fühlen sich ganz stark in seiner Nachfolge. Während Franz Xaver von Goa aus fast alle Gebiete des portugiesischen Indiens besuchte, war es ihm natürlich nicht möglich im gesamten Gebiet der heutigen Republik zu Missionieren.
Interessanterweise kamen hier in diesem Teil Indiens die ersten europäischen Jesuiten erst in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts an. Italienische Missionare begannen hier damit den Glauben zu verbreiten und soziale Einrichtungen zu gründen.
Auch ich lebe hier mit Missionaren knapp 90 Jahre später, der entscheidende Unterschied ist, ich lebe hier mit einheimischen Missionaren.
Unsere Fathers stammen bis auf einen alle aus Tamil Nadu im Süden Indiens. Die Frage was sie hier in den Norden verschlagen hat ist schnell beantwortet, „Wir wollten Missionare werden!“
Wenn wir an Missionare denken, dann kommt uns das Bild des Europäers in den Kopf, der sich in die Fremde wagt. Aber Missionar sein im eigenen Land? Wäre dann ein süddeutscher Priester in einer ostdeutschen Diözese auch ein Missionar?
Zu letzterem, ja auch in gewissem Maß, dazu jedoch später mehr. Indien ist ein riesiges Land und dadurch auch kulturell komplett verschieden. So war Indien vor der britischen Kolonialherrschaft nie ein zusammenhängender Staat sondern stets geteilt in Fürstentümer.
Zusätzlich erfuhr der Süden Indiens große Einflüsse durch die Portugiesen und später die Briten. Deshalb konnte hier auch das Christentum stark Fuß fassen. Auch gab es schon in früher Zeit die Thomaschristen auf dem Gebiet Tamil Nadus und Kerala. Diese gründen auf den Apostel Thomas, der, der Legende nach Indien missionierte. Kommunen wie Goa haben bis heute eine vermehrt katholische Bevölkerung. Dementsprechend ist die Kirche in diesem Teil des Landes verhältnismäßig gut situiert.
Hier im Norden sind Christen die absolute Minderheit. Der Wikipedia Artikel von Bihar drückt es so aus:
Übrige Religionen sind mit einem Anteil von 0,4 Prozent praktisch nicht präsent.
Wikipedia, Religionen in Bihar.
Was treibt nun diese Männer an, ihre angenehmen Verhältnisse, ihre Familie und Freunde hinter sich zulassen und das Leben eines Missionars auf sich zunehmen.
Das hat ganz klar mehrere Gründe, die wir im Gespräch mit unseren Fathers erfahren und heraushören konnten.
Zum einen ist es der Zauber des Anfangs, wie ihn schon Hesse beschreibt. Als Missionar geht es darum zu bauen, zu schaffen, zu gestalten.
So kam unser Superior, Father Innasy Lazar vor knapp 40 Jahren als neugeweihter Priester in den Norden Indiens. Damals gab es hier in der Umgebung nur wenige Einrichtungen und Häuser der Jesuiten. So erzählte er mir, dass er in seiner Anfangszeit hier in einer kleinen Hütte hauste.
Heute schaut er auf eine stattliche Jesuitenresidenz und eine Schule für 600 Schülerinnen und Schüler. In dieser beeindruckend Arbeit kann man sich einbringen, man kann planen und Gutes tun. Und der Aufbau von solchen Institutionen und Einrichtungen gehört noch lange nicht der Vergangenheit an. Immer noch werden neue Schulen gebaut, Missionshäuser errichtet. So kriegen wir auch hier mit wie beispielsweise der Bau eines eigenen Gebäudes für unser Hostel durchgerechnet wird und Angebote eingeholt werden.
Ein anderer Punkt ist der vollkommene Einsatz für das Evangeliums. Das Evangelium ist die frohe Botschaft. Diese frohe Botschaft will erzählt werden, will weitergegeben werden. Denn sie bringt Licht in die Finsternis unserer Leben und unserer Welt, so glaube zumindest ich. Jesus wünscht sich eine solche Verkündigung, denn sonst wären die Berichte der Evangelisten bestimmt nicht voll damit, sonst hätte Jesus nicht explizit die 12 Jünger gesandt.
Mit dem vorherigen Punkt in gewissem Maß verknüpft, aber doch nochmal ganz eigen ist die radikale Nachfolge Jesu. Jesuiten verstehen sich mit ihren Lebensform, ohne Besitz schon seit ihrem Beginn als Jünger, als Gefährten Jesu. Das Leben der Missionare hier vor Ort folgt meiner an Sicht nach jedoch noch viel mehr dem Wort und Bild Jesus von Nazareths.
Jesus lebte in absoluter Besitzlosigkeit. So sagt er in Matthäus 8,20 sogar, dass der Menschensohn nicht mal einen Ort hat, seinen Kopf niederzulegen. Ganz so wörtlich darf man dies natürlich nicht nehmen, ohne sich in eine weltfremden Utopie zu denken. Natürlich leben unsere Missionare heute in einem Steinhaus, haben ein Bett und einen Computer im Haus. Der Eigenbesitz beschränkt sich wie bei allen Jesuiten jedoch auf einige persönliche Besitztümer. Und das eben benannte Steinhaus mit Bett und Computer besitzt auch nicht jeder Missionar. Ganz im Gegenteil der Anfang einer neuen Missionsarbeit beginnt oft irgendwo im nirgendwo.
Jesus ging aktiv auf die Benachteiligten und Ausgeschlossenen zu. Ebenso handeln auch unsere Missionare. In der Arbeit mit den Tribals, hier in Baghmara mit der Bildung ihrer Kinder, begegnen sie Menschen auf Augenhöhe, die sonst gesamtgesellschaftlich in Indien wenig bis Garnichts zu sagen haben, die in Armut leben und meist nicht mehr haben als das täglich Brot, was auch hart erarbeitet hat.
Die Kranken und Ausgeschlossenen heilt Jesus mit der Kraft seiner Liebe. Missionare schenken den Menschen Zeit. Zeit im Gespräch und Zeit in der Planung neue Wege zu finden, ihre Lebenssituation zu verbessern. Sie schenken ihre Arbeitskraft und Leidenschaft.
Jedoch erlebte Jesus in seinem Leben auch massiv Ablehnung. Den Missionaren geht es genau so. In einem Land in dem der Hinduismus mit der Kultur gleich gesetzt wird, haben Minderheiten kaum Platz. Während die Situation hier in Purnea entspannt ist, stehen Missionare an anderen Orten heftig in der Kritik, nur an der Konversion von Hindus interessiert zu sein. So wurde beispielsweise in der vergangenen Woche eine Kirche in einem Nachbarbezirk angezündet. Vor einiger Zeit ein katholischer Priester in Bihar ermordet. Beide Verbrechen waren wohl politisch motiviert. Solche Taten trotz immensem caritativem Einsatz dieser Frauen und Männer. Sichtlich bedrückt erklärte mir Father Lazar auch, dass viele der gegenwärtigen Politiker an Missionsschulen und Universitäten ausgebildet wurden. Die Politiker auf deren Agenda steht aus Indien einen hinduistischen Gottesstaat zu machen.
Missionare sind Menschen. Oft kommt noch die Komponente des eigenen Unvermögens hinzu. Beispielsweise wenn Projekte aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht in die Tat umgesetzt werden können und so den Bitten der Einheimischen nicht entsprochen werden kann. Auch Missverständnisse mit den Einheimischen können schwer lasten. Hier ist es allein der Glaube, der einen weitergehen lässt. Wie ich bei unseren Fathers gespürt habe ist es die Hoffnung in die göttliche Vorsehung in der wir alle aufgehoben sind.
Viele kirchliche Institutionen und Ordensgemeinschaften betiteln ihren Freiwilligendienst mit „MaZ“ Missionar auf Zeit. Jesuit Volunteers tut dies nicht direkt, zumindest nicht offiziell. Trotzdem fühle ich mich hier als Missionar.
Mission kommt vom lateinischen Wort Missio, was Sendung bedeutet. Es ist Jesus, der seine Jünger und damit auch uns sendet. Missionar sein heißt für mich Glaubenszeuge sein. Das wiederum heißt durch meinen Lebensstil und meine Art zu leben anderen Menschen zu zeigen, dass ich Christ bin und es mein Leben bereichert. Mein Glaube soll sich wiederspiegeln in meinen Taten und Werken, ganz gleich ob in der Schule, im Hostel oder im Garten, in meinen Entscheidungen und meinen Umgang mit anderen Menschen, unabhängig von Herkunft, Religionszugehörigkeit, Kaste, etc. Denn in all diesen Momenten, Arbeiten, Begegnungen ist Gott zu finden, davon bin ich genau wie der Gründer der Jesuiten, Ignatius von Loyola überzeugt. Kurzum gesagt mein Handeln soll auf dem Wort und der Lehre Jesu fußen. Im ersten Petrusbrief bringt es der Verfasser sehr gut auf den Punkt:
Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.“
1. Petrus 3, 15
Es geht es nicht darum in jeder Minute von Jesus zu erzählen oder in hier konkret in meiner Einsatzstelle abfällig über den Glauben der Kinder zu sprechen. Es geht darum, dass wenn ich nach meinem Glauben gefragt werde in aller Geduld, Liebe und Überzeugung zu antworten. Diese Momente sind dann wiederum meist bleibend, beispielsweise wenn man von einem Kind gefragt wird, warum man Jesus denn nicht sehen kann und es nach einfacher Erklärung dann schließt, dass sein verstorbener Opa auch bei ihm sein muss.
„Getauft und gesandt“ heißt das Motto des Missionsmonat. In der Taufe sind wir hineingenommen in die Kirche als Gemeinschaft des Glaubens. Glaube lebt aus Gemeinschaft und ohne sie kann er oft nicht viel bewirken. Für viele von uns beginnt mit der Taufe eine erfahrbare Gottesbeziehung. Durch die Taufe ergeht der Sendungsauftrag den Jesus nach seiner Auferstehung an die Jünger richtet auch an uns. „Wie der Vater mich gesandt hat, so sende ich euch.“ Gesendet die Freude des Glaubens und des Evangeliums hinauszutragen in die Welt.
Missio ad gentes, Sendung zu den Völkern. Als Christen sind wir wie oben erklärt durch die Taufe gesendet. Missio ad gentes unterstreicht dies nochmal, Sendung zu allen Völkern. Ich bin hier und zeuge von meinem Glauben in meiner Begegnung mit anderen Menschen, in meiner Arbeit in der ich versuche nach christlicher Moral zu handeln, in meinen Antworten.
Mission heißt aber nicht, dass wir uns alle aufmachen müssen um unser Glaubenszeugnis in den alten Missionsgebieten abzugeben. Mission spielt sich in genau dem Umfeld ab, in dem ich mich befinden. Auch in Deutschland gibt es viele Momente, in denen wir aufgerufen sind wie oben beschrieben von unserem Glauben zu zeugen und somit missionarisch zu handeln.
Zum Schluss nun die Antwort auf die Frage, wie kann Mission beflügeln. Ich habe in meiner Zeit hier bereits erlebt, dass der Glaube für viele Menschen identitätsstiftend und stärkend wirkt. Egal ob ein indischer Lehrer oder ein Tribal Member, die Menschen leben hier in anderen Lebensrealitäten als in Deutschland, ganz klar. Hier habe ich bei einigen Menschen erfahren, dass für sie der Glaube Stütze ist und dass sie fest in ihrem Glauben sind, dass Jesus sie auch durch alle schweren Zeiten begleitet.
Am Sonntag den 20. Oktober haben wir den Weltmissionssonntag in unserer Kathedrale in Purnea gefeiert. Hier wurde mir bewusst wie groß die Missionsarbeit hier in der Umgebung ist. Zum feierlichen Gottesdienst waren dutzende Missionare und Missionarinnen gekommen. Zusätzlich auch einige Hundert Schüler der Missionsschulen. Vor allem in diesem Bereich sind viele Ordensfrauen und Männer tätig. Im Anschluss daran wurde auf dem Gelände ein kleiner Markt veranstaltet. So verkauften wir mit unseren Lehrern Momos, die wir am Abend zuvor vorbereitet hatten.
In der ausgelassenen Stimmung, die sowohl bei der Vorbereitung, als auch dann beim Missionsfest herrschte, wurde mir deutlich, dass der Glaube und das Evangelium wirklich Freude in das Leben vieler Menschen hier bringt. So glaube ich auch, dass unsere Schüler allein durch die Impulse, die sie hier an der St. Xavier School vermittelt bekommen, viel Gutes ziehen können.
Diese missionarische Grundhaltung ist was Flügel verleiht. Mit anderen Gläubigen wird man darin bestärkt, mit Andersgläubigen erhält man neue Denkanstöße. Auch aus mancher Ablehnung erwächst auf lange Sicht hin Segen. Und immer haben wir die Zusage Jesu: „Ich bin bei euch, alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Gute Gedanken, ich habe nichts daran auszusetzen 🙂
Bei allem Religiösen gilt für mich als oberstes Kriterium: auf die Früchte kommt es an. Wenn Mission den Menschen gut tut, ist sie gut und wenn nicht, ist sie schlecht. Was wahr ist wissen wir eh nicht.